Geschichte der Biologie

Das Deckblatt von Erasmus Darwins Gedicht The Temple of Nature zeigt, wie die Natur, dargestellt in der Person der Göttin Artemis, von einer Personifikation der Poesie enthüllt wird. Stich nach einer Zeichnung von Johann Heinrich Füssli

Die Geschichte der Biologie umfasst alle Bemühungen um das Verständnis der Welt des Lebendigen von der Antike bis in die moderne Zeit. Obwohl die Biologie als eine einheitliche Disziplin erst im 19. Jahrhundert entstanden ist, reichen ihre Wurzeln über medizinische Traditionen und Naturgeschichte bis zum indischen Ayurveda, zur Medizin im Alten Ägypten und den Werken von Aristoteles und Galenos in der griechisch-römischen Welt zurück. Die antiken Kenntnisse wurden im Mittelalter von der arabischen Medizin und von Gelehrten wie Avicenna weiterentwickelt. Während der europäischen Renaissance und der frühen Neuzeit wurde das Interesse am biologischen Denken in Europa durch die Entwicklung des Empirismus und die Entdeckung vieler neuer Arten revolutioniert. Hier sind einerseits Andreas Vesalius und William Harvey zu nennen, die durch sorgfältige Beobachtung und Experimente die Physiologie weiterentwickelten, andererseits sind Naturforscher wie Linnaeus und Buffon zu erwähnen, die die wissenschaftliche Klassifikation von Organismen und Fossilien einführten und sich mit der Entwicklung und dem Verhalten von Organismen beschäftigten. Die Erfindung des Mikroskops enthüllte die bis dahin unbekannte „Welt“ der Mikroorganismen und ermöglichte die Formulierung der Zelltheorie. Die wachsende Bedeutung der natürlichen Theologie, zum Teil als Reaktion auf das mechanistische Weltbild, verstärkte das Interesse von Gelehrten an naturgeschichtlichen Fragestellungen, wiewohl dadurch auch teleologische Vorstellungen befördert wurden.

Während des 18. und 19. Jahrhunderts wurden Botanik und Zoologie eigenständige wissenschaftliche Disziplinen. Lavoisier und andere Naturwissenschaftler begannen die lebendigen und unbelebten Naturdinge mittels chemischer und physikalischer Untersuchungsmethoden zu studieren. Entdecker wie Alexander von Humboldt untersuchten die Beziehungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt. Indem sie bemerkten, dass diese Beziehungen von geographischen Bedingungen abhängig sind, schufen sie die Grundlagen für die Wissenschaften der Biogeographie, der Ökologie und der Verhaltensforschung.

Vertreter naturalistischer Theorien begannen, den Essentialismus abzulehnen. Sie betonten stattdessen, dass biologische Arten aussterben können und entdeckten die Variation der Arten. Die Zelltheorie lieferte neue Einblicke in das Verständnis von Organismen. Mit der von Theodor Schwann begründeten tierischen Zellenlehre hatte auch die Medizin eine neue biologische Grundlage erhalten.[1] Diese Einsichten wurden zusammen mit Erkenntnissen aus Embryologie und Paläontologie durch Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Selektion zusammengeführt. Am Ende des 19. Jahrhunderts konnte so die Vorstellung von der Urzeugung als falsch erkannt und durch die Theorie der Keimbahn ersetzt werden, obwohl die für ein tieferes Verständnis notwendigen Kenntnisse der Genetik noch fehlten.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts strebte die Biologie einer „genaueren Kenntnis der letzten Bausteine der Zelle, der Aufgaben der Interzellularsubstanz, der Körperfermente, der Gesetze der Geschlechtsbestimmung und der Vererbung“ zu.[2] Im frühen 20. Jahrhundert wurden die Mendelschen Regeln wiederentdeckt. Dies beförderte das rasche Anwachsen genetischer Kenntnisse durch Thomas Hunt Morgan und seine Schüler. Durch die Vereinigung von Prinzipien der Populationsgenetik mit der natürlichen Selektion schufen Wissenschaftler die neodarwinistische Synthese. Neue wissenschaftliche Disziplinen entwickelten sich rasch, nachdem James D. Watson, Francis Crick und Rosalind Franklin die Struktur der DNA aufgeklärt hatten. Nach der Etablierung des „zentralen Dogmas“ der Molekularbiologie und der Entschlüsselung des genetischen Codes erfolgte eine Aufspaltung der Biologie in die „Biologie der Organismen“, welche sich mit Lebewesen beschäftigt, und das Forschungsfeld der Zellbiologie und der Molekularbiologie. Im späten 20. Jahrhundert entstanden mit der Genomforschung und der Proteomik Disziplinen, die den Trend der Aufspaltung der Biologie umkehrten. In diesen Forschungsbereichen benutzen Lebewesenwissenschaftler molekularbiologische Methoden, während Molekular- und Zellbiologen das Zusammenspiel von Genen und Umwelt genauso studieren wie die Genetik natürlicher Populationen von Organismen.

  1. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 35.
  2. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 54–55.

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